- Exilpublizistik
- Exilpublizistik,die Publizistik der Emigranten. - Die französischen Emigranten des 17. und 18. Jahrhunderts ließen besonders in Holland eine bedeutende Presse entstehen. Alle nationalen Freiheitsbewegungen der neuesten Zeit, die revolutionären Bewegungen in Russland und in den südosteuropäischen Ländern, die faschistischen Herrschaftssysteme in Italien, Deutschland und auf der Pyrenäenhalbinsel haben nicht nur eine Untergrundpublizistik in den Ländern selbst, sondern auch publizistische Aktivität der Emigranten in den Nachbarländern hervorgerufen.Mit der ersten deutschen Emigration (1830-50) erschienen v. a. demokratische Blätter in Straßburg, in Paris (»Balance«, 1836, von L. Börne; »Pariser Zeitung«, 1838-39, von A. Bornstedt; »Deutsch-Französische Jahrbücher«, 1844 [nur ein Band erschienen], von A. Ruge und K. Marx; »Vorwärts«, 1844, von H. Börnstein und L. F. C. Bernays), in der Schweiz (z. B. im Exilverlag »Literarisches Comptoir« in Winterthur, gegründet 1841 von J. Fröbel und L. Snell) und in London (»Neue Rheinische Zeitung«, 1850, von K. Marx, und »Das Volk«, 1859, von Marx und F. Engels). - Die zweite deutsche Emigration (wegen der Sozialistengesetze; 1878) ließ in Zürich als Exilorgan »Sozialdemokrat« (gegründet 1879, geleitet von G. von Vollmar, später von E. Bernstein) entstehen.Die deutsche Emigration nach 1933 schuf sich in den Zentren des Exils eine mannigfaltige Exilpublizistik, v. a. Zeitschriften, seltener Zeitungen, Filme und Rundfunkprogramme. Es erschienen in Prag »Die Deutsche Revolution/Schwarze Front« (1933-38) von O. Strasser; in Oldenzaal, Niederlande, »Deutscher Weg« (1934-40) von F. Muckermann; in Santiago de Chile »Deutsche Blätter« (1943-46) von U. Rukser und A. Theile. In Amsterdam gab K. Mann »Die Sammlung« (1933-35) und in Zürich T. Mann mit K. Falke »Maß und Wert« (1937-40) heraus. F. Stampfer, später C. Geyer führten das SPD-Organ als »Neuer Vorwärts« (Karlsbad/Paris 1933-40) fort. Als Exilfortsetzungen linker kulturpolitischer Zeitschriften erschienen »Die Neue Weltbühne« (Prag/Zürich/Paris 1933-39) von W. Schlamm, später von H. Budzislawski; »Das Neue Tage-Buch« (Amsterdam/Paris 1933-40) von L. Schwarzschild sowie »Pariser Tageblatt/Pariser Tageszeitung« (1933-40) von G. Bernhard. Politische und literarische Bedeutung unter den kommunistischen Exilzeitschriften erlangten »Internationale Literatur« (1931-45) in Moskau, seit 1937 geleitet von J. R. Becher; »Neue Deutsche Blätter« (1933-35) in Prag, herausgegeben von O. M. Graf, W. Herzfelde, A. Seghers und J. Petersen; »Unsere Zeit« (1933-35) in Paris von W. Münzenberg und v. a. »Das Wort« (1936-39) in Moskau, herausgegeben von B. Brecht, L. Feuchtwanger und W. Bredel. Für Emigranten hatte der German Jewish Club 1934 in New York die Zeitschrift »Aufbau - Reconstruction« gegründet, geleitet von M. George.Emigrierte Publizisten und Schauspieler wirkten als Redakteure, Übersetzer und Sprecher bei deutschsprachigen Sendungen des französischen, britischen und amerikanischen Rundfunks mit sowie bei Rundfunkeinrichtungen der alliierten Streitkräfte, z. B. bei den Deutschlanddiensten der BBC ab 1938, Radio Moskau ab 1933, Stimme Amerikas ab 1942, und bei selbstständigen offenen oder verdeckten (Tarnsender, Geheimsender, »Schwarzsender«) Rundfunkprogrammen wie »Deutscher Freiheitssender 29,8« (Spanien 1937-39), »Sender der Europäischen Revolution« (Großbritannien 1940-42), »Deutscher Volkssender« (UdSSR 1941-45), »Gustav Siegfried Eins«/»Deutscher Kurzwellensender Atlantik« (Großbritannien 1941-45) sowie beim Militärrundfunk, der sich an die deutschen Truppen wandte, z. B. »Sender des Nationalkomitees »Freies Deutschland«« (UdSSR 1943-45), »Soldatensender Calais« (Großbritannien 1943-45, zuletzt als »Soldatensender West«). ExilliteraturL. Maas: Hb. der dt. Exilpresse. 1933-1945, 3 Bde. (1976-81);Presse im Exil, hg. v. H. Hardt u. a. (1979);C. Pütter: Rundfunk gegen das »Dritte Reich« (1986);A. Huss-Michel: Die Moskauer Zeitschriften »Internat. Lit.« u. »Das Wort« während der Exil-Volksfront (1987).
Universal-Lexikon. 2012.